Der barmherzige Samariter

Der barmherzige Samariter

Zu Lukas 10
KINDERKIRCHENLIEDER Seite 430
Illustration: Marion Goedelt

Den Bibeltext zum Bildmotiv finden Sie hier in unterschiedlichen Übersetzungen:
Luther 2017 / Einheitsübersetzung / Gute Nachricht

Eine Handreichung mit Bildimpulsen und die Bilddateien zum Beamen und Drucken finden sich im Shop des Gottesdienst-Instituts.

Eine Bibelerzählung zum Vorlesen:

Warum hatte Simon nicht auf seine Freunde gehört?

„Willst du wirklich diesen Weg nach Jericho nehmen? Und dann auch noch allein? Simon, das ist zu gefährlich! So viele Leute sind auf dieser Straße von Jerusalem nach Jericho von Räubern überfallen worden. Geh doch wenigstens mit einer Gruppe mit.“

Aber er wollte nicht auf den Rat seiner Freunde hören. „Ich kann nicht warten. Ich muss morgen Abend in Jericho sein.“

Jetzt lag er da in der Mittagshitze. Sie hatten ihn mit Knüppeln geschlagen. Dann hatten sie ihm alles abgenommen, sein Geld, Essen und Trinken. Sogar einen Teil seiner Kleidung hatten sie ihm ausgezogen. Simons Kopf schmerzte. Einige Wunden bluteten. Und dann diese Hitze ….

„Warum habe ich nicht auf meine Freunde gehört?“ dachte Simon wieder. „Ich habe nicht warten wollen. Jetzt muss ich warten. Jetzt kann ich nur hoffen und beten. Beten, dass mir jemand hilft.“

Plötzlich hörte Simon Schritte. Es fiel ihm schwer die Augen zu öffnen. Das helle Sonnenlicht tat ihm in den Augen weh. Deshalb machte er die Augen gleich wieder zu.

Ein Mann kam den Weg entlang. Es war ein Priester. Simon erkannte ihn an seiner Kleidung. Bestimmt war er auf dem Weg zum Tempeldienst in Jerusalem. Simon wollte um Hilfe rufen. Aber er hatte nicht die Kraft dazu. Nur ein Stöhnen brachte er zustände. Aber der Priester hatte wohl nichts gehört. Er war nicht einmal stehengeblieben, um nach Simon zu sehen ….

Als Simon wieder Schritte hörte, wusste er gar nicht, wie viel Zeit vergangen war. Wieder schaffte er es nur kurz, die Augen zu öffnen. Im grellen Sonnenlicht sah er einen Leviten kommen, einen Tempeldiener. Er ist bestimmt auch auf dem Weg in den Tempel. Wieder versuchte Simon, sich bemerkbar zu machen. Aber sein Stöhnen war noch leiser als zuvor. Die Hitze und die Verwundungen hatten ihm alle Kraft geraubt.

Auch die Schritte des Leviten gingen vorüber. „Wahrscheinlich meint er, ich bin schon tot.“ dachte sich Simon. „Hat denn niemand Zeit, sich um einen Mann zu kümmern, der unter die Räuber gefallen ist?“

Jetzt kroch die Angst in Simon hoch: Was ist, wenn die Nacht kommt, und mit ihr die wilden Tiere ….?

„Halt, bleib stehen!“ Eine Männerstimme schreckte Simon aus seinen Gedanken. Er hatte den Mann mit seinem Esel gar nicht kommen hören. „Ruhig!“ hörte er wieder die Stimme mit dem Esel sprechen. „Schau, da liegt jemand. Das schauen wir uns mal an.“ Sechs Schritte kamen näher. „Der Herr sei gepriesen“, dachte sich Simon. „Es gibt doch noch Menschen, die anderen in Not helfen.“ – „Na, dich haben sie ja schlimm zugerichtet. Das war kein Unfall. Du bist unter die Räuber gefallen. Ja, wir leben in gefährlichen Zeiten. – Warte, ich habe Wein und Öl dabei. Damit mache ich deine Wunden sauber.“ Während der Mann sprach, spürte Simon, wie ihn eine Hand berührte. Und er spürte ein weiches Tuch auf seiner Haut. Wer war dieser Mann mit der freundlichen Stimme? Simon schaffte es, den Kopf ein wenig zu drehen und kurz die Augen zu öffnen. Im Sonnenlicht erkannte er eine Gestalt in blauer Kleidung. Und über der Gestalt sah er einen Zweig mit grünen Blättern. „Grün ist die Hoffnung“, dachte sich Simon. „Es gibt Hoffnung für mich. Dem Herrn sei Dank!“ Für einen kleinen Augenblick trafen sich die Blicke von Simon und dem fremden Mann. Und Simon war es, als der würde der Mann freundlich lächeln. Dann wurde es schwarz um Simon. Er hatte das Bewusstsein verloren.

Als Simon wieder aufwachte, lag er in einem Bett. Sein Kopf schmerzte immer noch. Aber er fühlte sich besser. Wo bin ich, dachte er?

Nach einer Weile öffnete sich die Tür. Der Wirt des Gasthauses schaute freundlich zu Simon herunter. „Du bist ja wach. Das ist schön. Kann ich dir etwas bringen, damit du wieder zu Kräften kommst?“

„Bin ich in einem Gasthaus?“ fragte Simon noch mit schwacher Stimme. „Sieht wohl ganz so aus“, gab der Gastwirt zur Antwort. „Du kannst hier so lange bleiben, bis du wieder auf die Beine kommst. Wenn du etwas brauchst, dann rufe mich, ja?“

Der Wirt drehte sich bereits zur Tür. „Moment noch!“ rief Simon dem Wirt hinterher: „Ich, … ich habe kein Geld mehr. Das haben mir die Räuber abgenommen.“

Der Wirt lachte: „Mach dir keine Sorgen. Der Samariter, der dich hergebracht hat, der hat bereits alles für dich bezahlt.“ – „Ein Samariter?“ Simon war überrascht. „Ja, die Samariter sind immer für Überraschungen gut. Da denkt man: Ein Samariter hilft doch keinem Juden. Die können es doch nicht miteinander. Und dann erlebt man so etwas. Ja, man sollte vorsichtig sein mit schnellen Urteilen über andere.“ Der Wirt wurde jetzt etwas ernster: „Wie heißt du?“ – „Simon.“ – „Simon, du hast ganz schön Glück gehabt. Wenn der Samariter dir nicht geholfen hätte? Ich weiß nicht, ob du die Nacht da draußen überlebt hättest. Ja, der Allmächtige, gepriesen sei sein Name, schickt uns immer wieder seine Engel. – Und manchmal schauen die Engel sogar aus wie ein Samariter.“ Mit einem lauten Lachen verschwand der Wirt hinter der Tür.

Simon hätte den Samariter mit der blauen Kleidung gerne noch einmal gesehen, hätte ihm „Danke“ gesagt und ihm das Geld zurückgezahlt, das der Mann im Gasthaus für ihn ausgelegt hatte. Aber die beiden begegneten sich nicht mehr.

Monate später ging Simon in den Tempel in Jerusalem. Er wollte Gott danken für seine Rettung.

Im Vorhof des Tempels kam Simon an einer Gruppe von Schriftgelehrten vorbei. Sie diskutierten wohl gerade über einen Text aus der Bibel. Simon hörte im Vorbeigehen die Worte: „Wenn im Buch Leviticus steht: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.‘ Wer ist dann mein Nächster? Sind das die Leute in meiner Verwandtschaft? Sind das meine Freunde oder ist es das Volk Israel ?“

Simon blieb abrupt stehen. Dann wandte er sich an die Gruppe von schriftgelehrten Männern: „Entschuldigt, wenn ich euer Gespräch störe!“ Jetzt waren acht neugierige Augenpaare auf Simon gerichtet. Simon wandte sich dem Schriftgelehrten zu, der die letzte Frage gestellt hatte: „Wer ist denn mein Nächster?“ Zu ihm sagte Simon: „Du hast gerade eine interessante Frage gestellt. Diese Frage beschäftigt mich seit Monaten. Ich habe es selbst erlebt: Mein Nächster, – das ist der, der meine Hilfe braucht. Und das kann auch ein Fremder sein, ja, sogar ein Samariter. Ich bin vor einigen Monaten unter die Räuber gefallen. Wenn mich ein Samariter nicht gerettet hätte, dann wäre ich jetzt nicht mehr am Leben.“

Mit diesen Worten ging Simon weiter. Das respektvolle Nicken der Schriftgelehrten sah er gar nicht mehr.

Als Simon ein paar Schritte weitergegangen war, kam er an einem Baum vorbei. Die grünen Blätter des Baumes erinnerten ihn an einen Augenblick, den er wohl nie mehr vergessen würde: Als er für einen Moment dem Samariter in der blauen Kleidung in die freundlichen Augen schaute und sich über dem Kopf des Mannes einige Zweige mit grünen Blättern im Wind bewegten.

Grün ist die Hoffnung. Und wo jemand seinen Nächsten liebt, wie sich selbst, da ist Hoffnung.

© Hartmut Klausfelder, Gottesdienst-Institut der ELKB